Gautschen – Ab in den Marienbrunnen!
Ein witziger Abschied von den Sünden der Lehrzeit
Am Ende der Lehrzeit eines Polygrafen oder einer Polygrafin steht die legendäre «Gautscheten» an. Der Höhepunkt dieses Ereignisses? Die spritzige Wassertaufe! Dabei werden die Lehrlinge gepackt und in einen Brunnen getunkt, um sie von ihren «Sünden» der Lehrzeit zu befreien. Klingt nach einem grossen Vergnügen, oder?
Diese Tradition geht auf das 16. Jahrhundert zurück und stammt aus der Zunft der Buchdrucker und Schriftsetzer. Da es diese Berufe in der alten Form nicht mehr gibt, dürfen heutzutage auch Offset-, Tief- und Siebdrucker sowie Polygrafen gegautscht werden. Die Taufe wird von zwei Packern und einem Schwammhalter unter der strengen Aufsicht des Gautschmeisters durchgeführt. Ein wahres Spektakel!
Die Zeremonie stärkt das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Zunft und ist ein Anlass, bei dem Kollegen, Freunde und Familienmitglieder die Leistungen des Lehrlings feiern und die Traditionen des Handwerks ehren.
Von der trockenen Theorie zur nassen Realität
Nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer vierjährigen Lehre zur Polygrafin wurde Zoe Piccolotto feierlich von all ihren Sünden reingewaschen und in den Kreis der Jüngerinnen und Jünger Gutenbergs aufgenommen. Traditionell wissen die Lehrlinge nicht, wann die Gautschzeremonie stattfinden wird. Am 9. Juli um 13.30 Uhr war es soweit und Gautschmeister Pascal Kurmann gab den Befehl: «Packt an!».
Die völlig überraschte Zoe wurde schnurstracks an ihrem Arbeitsplatz gepackt, Packetwagen verfrachtet und zum Dorfbrunnen in Lachen gefahren. Natürlich durfte auch ihre Familie bei diesem denkwürdigen Ereignis nicht fehlen!
Nach der Ansprache des Gautschmeisters wurde Zoe am Brunnenrand auf einen nassen Schwamm gesetzt, den der Schwammhalter bereitgestellt hatte. Dann kam der grosse Moment: Ein Kübel Wasser wurde über sie gegossen, um sie auf das anschliessende Vollbad im Brunnen vorzubereiten.
Auch Zoe musste diese feucht-fröhliche Prozedur über sich ergehen lassen, um von den «schlechten» Gewohnheiten aus der Lehrzeit gereinigt zu werden – so sagt man jedenfalls. Nach diesem nassen Ritual, bei dem Lachen und Zurufe nicht fehlen durften, erhielt die frischgebackene Gesellin ihren Gautschbrief. Dieses Diplom bestätigt offiziell ihren neuen Status als Schwarzkünstlerin.
Doch die Feierlichkeiten waren damit noch lange nicht zu Ende. Es wurde kräftig angestossen! Es war ein traditionelles Event, das allen noch lange in Erinnerung bleiben wird!
Wenn Ihr demnächst eine Gautschfeier miterlebt, wisst Ihr nun, was Euch erwartet: Ein feucht-fröhliches Spektakel, das niemand so schnell vergessen wird! Es ist eine Feier voller Tradition, Gemeinschaft und Freude – ein unvergesslicher Meilenstein im Berufsleben eines jeden Polygrafen.